„Granada ist eine Stadt der Muße, eine Stadt für die Beschaulichkeit und die Phantasie, eine Stadt, darin der Verliebte besser als irgendwo anders den Namen seiner Liebe auf den Boden schreibt. Die Stunden sind dort länger und gehaltvoller als in jeder anderen Stadt Spaniens.“ Federico García Lorca
Besser als der gefeierte andalusische Autor und Dichter Lorca könnte man es kaum beschreiben, wenn man sich den Sonnenuntergang auf den Hügeln der Stadt anschaut oder wenn man durch die Straßen läuft und einem auf einmal blau-weiße Berge zwischen zwei Häuserfronten entgegenstrahlen. Granada erscheint mal als gemütliches kleines Städtchen, mal als Großstadt mit Verkehrslärm, lauten, großen Demonstrationen und langen Distanzen, die zu Fuß überbrückt werden müssen. Und trotz der Touristenscharen und ihren Vergnügungslädchen überall in der Stadt, bleiben doch auch die urigsten und verstecktesten Ecken der Stadt erhalten und werden sind noch nicht vollends eingenommen. Vor unserer Haustüre strömen die Touristenmassen zwar hoch Richtung Alhambra, verschwindet man aber kurz in die kleinen Gässchen hinter dem Haus, in denen sich die Touristen hoffnunglos verlaufen, findet man ruhige Plazas mit Orangenbäumen und Kopfsteinpflaster. Tritt man dann in die Uni-Welt ein, wird das mystische Granada auf einmal erstaunlich real und plastisch und präsentiert sich in einem grauen Betonklotz aus den 70er Jahren auf eine ganz andere Art und Weise. Viel schulischer und arbeitsintensiver gestaltet sich dabei auch das Uni-Leben, aber eben auch viel persönlicher, pädagogischer und ditaktisch hochwertiger. Politische Diskussionen über die Erhöhung des Mindestlohns im Agrarsektor und ihre Widersacher, die neue Regierung und rechtspopulistische Hochburgen in denen die Bildungspläne „entliberalisiert“ werden sollen, tauchen nicht nur dort auf, sondern begleitet auch die Wandergruppe der Uni, die sich jede Woche aufmacht in die Berge der Sierra Nevada.
Ich fühle mich etwas fehl am Platz an der Bushaltestelle um 8:30 Uhr – um mich herum Rentner/-innen und Erwachsene, fünf Studierende und ich. Offensichtlich scheint die Uni-Wandergruppe eher aus dem Lehrpersonal oder dem ehemaligen Lehrpersonal zu bestehen. Man erklärt mir, die spanischen Studierenden feiern so gerne. Ich fühle mich sehr deutsch. Auf der Wanderung lerne ich allerdings Farmaziedozentinnen, emeritierte Geschichteprofessoren und ja auch 3 spanische Studierende und Doktoranden kennen, alle hoch motiviert und zügig unterwegs, um die 16 Kilometer durch wunderschöne Pinienwälder zu meistern. Der Ausblick hat sich gelohnt! Weiße Berge unter blühenden Wäldern bei 20 Grad, eine halbe Stunde außerhalb der Stadt. Auch das ist Granda.
Mittwoch 18:00 Uhr. Ich mache mich auf zu meiner ersten Gitarrenstunde. Julián, mein Gitarrenlehrrer, ein Freund meiner türkischen Mitbewohnerin, bietet mir einen aufgebrühten Mate-Tee an, während er mir verschiedene Gitarrenakkorde zeigt. Er hat eine deutsch-argentinische Freundin, natürlich!
Abseits von Granada lohnt es sich auch auf einen kleinen Ausflug nach Córdoba, der ehemaligen Hauptstadt des al-andalus Reichs und ihrer unglaublichen Moschee-Kathedrale, die mit ihrer Ausdehnung fast die ganze Stadt vereinnahmt. Mit einer der viel organisierten Veranstaltungen der Erasmus-Gruppe erreichten wir die Stadt günstig und schnell und konnten kurz in das typische Touri-Leben eintauchen, das hier eine Menge Spaß macht: Tapas vor den alten Gemäuern, in denen Christoph Kolumbus seine Indien-Reise vorbereitete, Sommerurlaubsfeeling mit grünen Palmen und die Vermischung der „orientalischen“ und „okkzidentalen“ Welt. Orientalische Bögen und Ziermuster konkurrieren mit pompösen, golden verzierten Jungfrau-Maria-Figuren, so als würde der Konkurrenzkampf der beiden Kulturräume sich noch immer, nach all diesen Jahrhunderten fortdauern. Eine Woche später lese ich in der Zeitung über eine geplante Grenzerhöhung der Zäune in Ceuta und Melilla, den spanischen Enklavestädten auf dem afrikanischen Kontinent, rassistische Gewalt in Andalusien und auch in Granada selbst wird sichtbar: Ja, es gab eine Zeit der convivencia im al-andalus-Reich, was höchstens eine gegenseitige Akzeptanz der drei montheistischen Weltreligionen bedeutete, aber so sehr sich hier arabische Kulturgüter und haufenweise syrische Falafelläden in das Stadtbild mischen – Andalusien und Granada pochen auch darauf europäisch zu sein und spanisch und katholisch. Auch die Zeit der convivencia schützt hier niemanden vor Rassismus.
Mein Fazit aus vier Wochen Granada ist begeistert, verträumt und vielschichtiger als ich es mir hätte vorstellen können und ich bin gespannt darauf mehr von der Stadt und den Menschen hier kennenzulernen, aber genauso mich in kleine Bergdörfchen und Pinienwälder zu flüchten oder an den Strand, ans Meer!